Dietlind Rott


Wie EVERGREEN PRISMA die Schnittstellen von Wissen, Praxis und Austausch sichtbar, zugänglich und für Filmschaffende real nutzbar macht.   

 

Tools, Transfer, Spotlight – Mit dem EVERGREEN PRISMA konnte die LOWER AUSTRIAN FILM COMMISSION (LAFC) einen europaweit einzigartigen und umfassenden Green Filming Service schaffen. Welche Beweggründe haben Dich als Film Commissioner zur Auseinandersetzung mit dem Thema Nachhaltiges Filmschaffen veranlasst?

Gleich zu Beginn meiner Aufbauarbeit der LAFC im Jahr 2012 bin ich auf das Thema gestoßen. Vor dem Hintergrund alarmierender Klima- und Umweltfakten und der damit einhergehenden Dringlichkeit, wirksame Maßnahmen für die Reduktion von CO2 zu setzen, war für mich der Schritt, einen praxisorientierten Green Filming Service für die eigene Branche zu verwirklichen, ein Muss.

Die Schnittstellen von Wissen, Praxis und Austausch sollten sichtbar, zugänglich und für Filmschaffende vor allem real nutzbar gemacht werden. Daher auch 2018 der Start der gezielten Vermittlungsarbeit mittels Green Guide, durch Veranstaltungen und Vorträge.

Das Land Niederösterreich hat das ermöglicht. Anfang 2020 haben wir dann den Green Filming Service EVERGREEN PRISMA gelauncht. Der besteht aus der innovativen, digitalen Wissensplattform, unserem professionellen Vermittlungsprogramm, beinhaltet wichtige Instrumente für die Praxis und gezielte Netzwerkarbeit. Den Kompetenzerwerb für die praktische Umsetzung von nachhaltig ausgerichteten Filmproduktionen ermöglichen wir so auf besonders effektive Weise. Die transnationale und transgenerationale Ausrichtung unseres Service ist dabei ganz bewusst inkludiert.

Denn Green Filming braucht vorausschauendes Arbeiten, praktische Zugänge, die Einbindung von Partner:innen und Dienstleistungssektoren. Es geht um das Zusammenwirken, nicht um konkurrenzierende Geschäftsmodelle. Dafür spielen Kooperationen und sich sinnvoll ergänzende Synergien, natürlich auch über Landes- oder Resortgrenzen hinaus, eine ganz zentrale Rolle.

Das Evergreen Prisma mit seinem bunten Spektrum sollte die (Selbst-)Wirksamkeit von Filmschaffenden für eine klimaneutrale Filmindustrie anregen, ermöglichen, fördern und stärken – und das tut es nun ganz vital, pulsierend und tatkräftig.

 

Eine Weiterbildung für die Zukunft – Das grüne Weiterbildungsangebot der LAFC umfasst neben fachspezifischen Webinaren für einzelne Departments, wie z.B. Green Storytelling oder Licht & Kamera, auch die Weiterbildung zum neuen Beruf der/s Green Film Consultant Austria. Kannst Du uns etwas zum Hintergrund Eures Vermittlungsprogrammes sagen? Was tut ein/e Green Film Consultant eigentlich genau und warum ist es besonders jetzt für Filmschaffende wichtig, sich für eine grüne Weiterbildung zu entscheiden?

Unser Vermittlungsprogramm wird immer bunter. Ein zentraler Aktionspunkt des Evergreen Prisma ist derzeit die Ausbildung der/s Green Film Consultant Austria (GFCA) für Kino & TV in Kooperation mit dem internationalen Experten Philip Gassmann. Durch uns gibt es bereits seit Juni 2021 die ersten professionellen Vertreter:innen dieses Berufes in Österreich. Ihren Porträts widmen wir einen eigenen Bereich im Connective auf lafc.at/greenguide, der auch Filmförderstellen und Sendern als seriöser Nachweis, als Zertifikat für die erworbene Kompetenz auf hohem Niveau dient, wir arbeiten hier gut zusammen.

Die von Philip Gassmann und uns ausgebildeten Green Film Consultants Austria können (inter-)nationale Filmprojekte auf Basis ihrer praxisbezogenen Ausbildung nachhaltig evaluieren, ausrichten, kompetent begleiten und dokumentieren. Gerade läuft ein Kurs mit 14 Teilnehmer:innen, ab Jänner 2022 bieten wir weitere Ausbildungen an. Im Mittelpunkt stehen ganz klar Know-how, Praxisnähe und Interaktion.

Unser Vermittlungsprogramm entwickeln wir zusammen mit Philip Gassmann unter Einbeziehung weiterer Kooperationspartner:innen laufend weiter. Damit ist unsere Ausbildung zum notwendigen Filmberuf der/s Green Film Consultant Austria nicht nur direkt am Puls der Zeit, sondern beleuchtet auch immer aktuelle Tendenzen und Entwicklungen der Branche im In- und Ausland, die wir ja selbst auch weiterhin mitgestalten. Unser Programm wird bereichert durch geladene Gäste, um die Auszubildenden an deren wertvollem Wissen teilhaben zu lassen. Ein rotierendes Prüfungskomitee aus Expert:innen ist etabliert.

Auch die Internationalisierung unserer GFCA für Ko-Produktionen haben wir angekurbelt: Mit Brücken zu Ausbildungsstätten und Verbänden bringen wir zusammen mit engen Kooperationenspartner:innen und dem Bindeglied und Urheber der Green Filming-Ausbildungen u.a. in Deutschland, Philip Gassmann, auch das länderübergreifende, grüne Filmschaffen auf den Weg. Das Evergreen Prisma mit seinem Werkzeugkasten wird bald auch einen ganz spezifischen Service für unsere GFCA bieten.

Green Film Consultancy ist als neue Profession im Bereich Filmmanagement anzusehen. Die/der Green Film Consultant nimmt eine Stabsposition ein und ist als vollwertiges und gleichberechtigtes Gewerk in der Produktion anzusiedeln. Der Einsatz einer/s Green Film Consultant erfolgt zum frühestmöglichen Zeitpunkt, spätestens aber im Rahmen der Produktionsvorbereitung. Die Tätigkeit erstreckt sich über sämtliche Produktionsphasen, also Vorbereitung, Drehzeit, Postproduktion und Fertigstellung bis hin zur Filmverwertung. Es empfiehlt sich je nach Größe der Firma bzw. des Projektes, zusätzlich eine/n internen Nachhaltigkeitsverantwortliche/n zu beauftragen und in das Produktionsteam zu integrieren bzw. eine(n) Green Runner als Verantwortliche(n) am Set einzubinden.

Neben profunder Filmerfahrung und Wissen über alle Abläufe im Herstellungsprozess eines Filmprojektes sind auch bestimmte persönliche Fähigkeiten und Qualifikationen wie Glaubwürdigkeit durch persönliche Motivation und Engagement, Kommunikationsstärke, Durchsetzungsvermögen und Teamgeist für dieses Berufsfeld von Relevanz. Die Fähigkeit zum Netzwerken sowie Kompetenzen in den Bereichen Ökologie, neue Technologien und Psychologie gehören ebenfalls zu den wesentlichen Voraussetzungen, um diesen Beruf auch ausüben zu können. Die Zielgruppe für unsere praxisorientierte Weiterbildung zur/m Green Film Consultant sind vorzugsweise Filmschaffende der kreativen und technischen Gewerke, insbesondere aus dem Bereich Produktions- und Aufnahmeleitung bzw. Set- und Motiv-Aufnahmeleitung.

Die/der Green Film Consultant optimiert den gesamten Herstellungsprozess eines Filmprojektes gemäß ökologischer Aspekte. Dabei werden ganz projektbezogen mögliche Potenziale und Handlungsalternativen ermittelt, durch die Ressourcen geschont und Emissionen reduziert werden können. Es werden Strategien definiert und Steuerungsmaßnahmen gesetzt. Auch Energie-Management gehört zunehmend zu den Aufgaben der/des Green Film Consultant.

Dabei ist die Vorgangsweise systematisch und erfolgt in enger Abstimmung mit allen Departments. Die Kommunikation sowohl mit dem gesamten Team als auch mit externen Dienstleister:innen bzw. Unternehmen ist für die gelungene Umsetzung von Green Filming ebenso ausschlaggebend wie die Kommunikation der Resultate der gesetzten Maßnahmen, etwa an Filmförderinstitutionen.
In unserem Vermittlungsprogramm bieten wir auch ganz spezifische Veranstaltungen zu einzelnen Gewerken an – in der zweiten November-Woche z.B. Green Storytelling für Drehbuchautor:innen oder Green Filming für die Bereiche Set, Kostüm und Maske. Anmeldungen dafür werden über greenworkshops@lafc.at entgegengenommen.

 

Calculate it! – In Kooperation mit KlimAktiv konnte die LAFC den ersten filmspezifischen CO₂-Rechner Österreichs entwickeln. Welche Vorteile ergeben sich daraus für die österreichische Filmwirtschaft?

Wir haben den in Deutschland schon flächendeckend genutzten Rechner, den die Firma KlimAktiv für die Filmförderstelle MFG entwickelt hat, als Grundlage genommen und ihn durch die Hinterlegung von Österreich-spezifischen Berechnungsfaktoren sinnvoll für die hiesige Filmbranche adaptiert. Ein schönes Beispiel für Synergie!

Daten können nun wirklich branchenspezifisch erhoben werden, damit ist auch in Österreich der notwendige hohe Standard garantiert. Es entsteht sogar eine gemeinsame Schnittmenge an Daten und damit ein potentieller Mehrwert: Durch deren Vergleichbarkeit über Landesgrenzen hinaus und die synchronisierten Kategorien rücken auch nachhaltig ausgerichtete Koproduktionen in machbare Nähe, sie werden damit umsetzbarer.

Die Berechnung der Schadstoffemissionen mittels CO₂-Rechner lässt die am stärksten klimarelevanten Bereiche von Filmprojekten, die sogenannten ‚Hotspots‘, schnell erkennen. So können Einsparungspotentiale verortet und dadurch klare Handlungsstrategien für eine nachhaltig ausgerichtete Filmproduktion abgeleitet werden. Nach Herstellungsende wird dann eine Bilanz erstellt, die als Teil eines grünen Abschlussberichtes für Filmförderinstitutionen wie etwa das ÖFI oder auch für die Zertifizierung mit dem Österreichischen Umweltzeichen für Film und TV, dem UZ 76, Verwendung findet.

Ein europaweiter Rechner ist derzeit noch nicht umgesetzt, seine Sinnhaftigkeit wird im grünen Netzwerk seit Jahren auch recht kontrovers diskutiert.

Zunächst werden wohl jeweils die EU-Länder entsprechende, potentiell vergleichbare Daten sammeln (müssen), da exakte Berechnungen auf länderspezifischen Faktoren beruhen – die Kombination von Länder-Spezifika und allgemein hochzurechnenden Daten wird aber natürlich schon angedacht, einfach umsetzbar ist das aktuell aber nicht.

Die Daten sollen ja möglichst aussagekräftig, überprüfbar und auswertbar sein, um darauf beruhend weitere wirksame Schritte setzen zu können. Diese Art von seriöser Datenerhebung ermöglicht unser Rechner als einheitliches Instrument für die heimische Filmbranche, er ist darüber hinaus sehr benutzerfreundlich. Das Umweltzeichen UZ 76, das BMKOES und das ÖFI empfehlen seine Verwendung, unsere GFCA arbeiten natürlich mit ihm. Bald schon gibt es eine zusammen mit unserem Netzwerk und KlimAktiv optimierte Version, die wir zur Verfügung stellen werden.

 

Green Filming Tirol – Welche Chancen und Möglichkeiten siehst Du im Zusammenhang mit Green Filming für Tiroler Filmschaffende und das Filmland Tirol?

Green Filming wird zunehmend verpflichtend bei der heimischen und internationalen Filmförderung. Das bringt mit sich, dass es dringend eine einheitliche, fundierte Professionalisierung braucht, was die Planung, Einreichung, Abstimmung, Umsetzung und (Daten-)Auswertung von grünen Filmprojekten anbelangt. Das erklärte Ziel ist der möglichst geringe bzw. neutrale CO2-Abdruck. Der Bedarf an kompetenten GFCA steigt also rasant. Vor diesem Hintergrund sind natürlich auch Tiroler Filmschaffende eingeladen, sich auf nachhaltiges Filmschaffen auszurichten und sich durch unsere hochwertigen Weiterbildungsangebote dafür fit zu machen. Unser Angebot gilt natürlich auch für sie. Schließlich finden in Tirol gerade in Kooperation mit Deutschland zahlreiche TV-Produktionen statt, in Deutschland wird Green Filming seitens der Filmförderung ja schon ab 2022 verpflichtend.

An dieser Stelle herzlichen Dank an unsere Kooperationspartnerin Cine Tirol, wir wirken hier vorausschauend zusammen, genau darum geht es beim nachhaltigen Filmschaffen!

 

Nachhaltiges Filmschaffen ist mehr als das Vermeiden von Papier – Dein grüner Tipp für die (österreichische) Filmbranche!

Den grünen Horizont erweitern. Miteinander nach Lösungen suchen. Möglich machen.

Ein Beispiel: Damit im Zuge der grünen Transformation effektiv und zeitsparend agiert werden kann, bemühe ich mich ja seit vielen Jahren um das gemeinsame Vorgehen mit Kolleg:innen und Partnerinstitutionen, im nationalen wie im internationalen Kontext.

Vielen ist die eigene Verantwortung bzw. ihre potentielle Gestaltungskraft für eine kluge Weichenstellung in Richtung umwelt- und klimagerechte Kreativindustrie zunehmend bewusst. Durch unsere gute Zusammenarbeit konnten wir ganz konkrete, ineinandergreifende und für die Filmschaffenden umsetzbare Maßnahmen herausbilden.

Nicht zuletzt durch das Lernen voneinander profitiert das gesamte Netzwerk. In der Strategie des Evergreen Prisma ist das von großer Bedeutung, es gehört zu seinem Ursprungsgedanken. Die LAFC gibt ihr Know-how ja in diesem Sinne hürdenfrei weiter. Dringende Punkte entwickeln wir im Austausch, auf diese Weise wollen wir auch möglichst zeitnah (re-)agieren. Wir arbeiten mittlerweile als zentrale Kompetenzstelle für nachhaltiges Filmschaffen und wirken hier interdisziplinär. Auch für die grüne Ausrichtung anderer Kunst- und Kulturbereiche generieren wir bereits Mehrwert.

Es ist für grüne Agenden ja von Bedeutung, dass auch laufend ein Abgleich mit der Praxis passiert und verschiedene Perspektiven miteinbezogen werden. Daher vermitteln wir Filmschaffenden für die praktische Umsetzung nicht nur brauchbares Wissen und begleiten sie bei ihren Projekten, sondern geben unser Wissen auch seit Jahren an Partnerinstitutionen weiter. Die Gruppen für die Weiterbildungslehrgänge zur/m Green Film Consultant Austria (GFCA) sind daher bewusst gemischt, wir bilden hier auch entsprechend Kolleg:innen aus anderen Filmförderinstitutionen wie etwa dem ÖFI oder der FISA und anderer Filmförderinstitutionen weiter. Die Cine Tirol wird ja beim nächsten Kurs dabei sein!

Für mich ein essentielles Vorgehen, denn so greifen immer mehr Beteiligte und im besten Fall auch die Entscheidungsträger:innen auf fundiertes, gemeinsames Wissen zurück.

Es entsteht eine wichtige Vertrauensbasis, das Verständnis wächst, weil es auf einer gemeinsamen Wissensgrundlage beruht. Wir wissen also im besten Fall, worüber wir reden, wofür wir uns bemühen und wie wir die effektivsten Maßnahmen miteinander umsetzen können.

Das Maßnahmenbündel, das derzeit in Österreich zur Verfügung steht, ist vielversprechend: Das UZ 76 neu, das Evergreen Prisma mit dem spezifischem CO2-Rechner für Kino & TV-Produktionen, der grüne Handlungsleitfaden des ÖFI. Es wird nun weitere Filmförderinstitutionen dazu anregen, eigene Richtlinienerweiterungen vorzunehmen.

Das Ganze befindet sich in einem sehr dynamischen Prozess, der an der grünen Schnittstelle bereits eine neue und intensive Form der Zusammenarbeit mit den Filmschaffenden und zwischen den Institutionen mit sich gebracht hat. Vom Impuls zur Bewegung, so könnte man diese Entwicklung beschreiben. Das lässt sich auch ganz klar auf Filmprojekte anwenden, man muss nur wissen, wie. Und das bunte Wie, das gibt es bei uns, das ist das Kaleidoskop des Evergreen Prisma.

 

Kontakt:

LOWER AUSTRIAN FILM COMMISSION – LAFC
EVERGREEN PRISMA
Land NIEDERÖSTERREICH
Abteilung Kunst und Kultur
Mag. Dietlind Rott
Landhausplatz 1, Haus 2
3109 St. Pölten
Tel.: +43 2742 90 05 13 210
Mail: dietlind.rott@noel.gv.at
www.lafc.at

 

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