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Carmen Sanders-Gratl


Intimitätskoordinatorin

Was ist der Aufgabenbereich der Intimitätskoordination?

In der Vorbereitung arbeite ich eng mit Regie, Schauspieler:innen und der Produktion zusammen, um intime Szenen frühzeitig und transparent zu planen. Dabei werden sowohl die künstlerische Vision der Regie als auch die individuellen Grenzen der Schauspieler:innen geklärt. Ein ganz zentraler Bestandteil in der Vorbereitung ist die Zustimmung (Consent) aller Beteiligten. Auf Grundlage der vorherigen Absprachen erarbeite ich gemeinsam mit der Regie – oder zunächst eigenständig mit den Schauspieler:innen eine erste choreografische Umsetzung der Szene. Im Grunde funktioniert das ähnlich wie bei einer Kampfchoreographie: Es geht um klare Absprachen und Abläufe und um einen sicheren Rahmen, in dem sich schauspielerische Kreativität entfalten kann.

Am Drehtag sorge ich dafür, dass bei intimen Szenen nur unbedingt notwendiges Personal anwesend ist („Closed Set“) und dass durch den Einsatz von Schutzkleidung oder Hilfsmitteln wie sogenannten „Modesty Garments“ physische Nähe reduziert wird. Ich unterstütze die Schauspieler:innen dabei, dass die vereinbarten Grenzen eingehalten werden.

 

Du arbeitest selbst auch als Schauspielerin. Waren auch eigene Erfahrungen Anstoß und Motivation für deine Entscheidung Intimitätskoordinatorin zu werden?

„Ja, meine eigenen Erfahrungen als Schauspielerin haben sicherlich auch eine Rolle dabei gespielt, aber die wahre Motivation, Intimitätskoordinatorin zu werden, entstand vor allem durch die Gespräche und Berichte junger Schauspieler:innen, die mit Grenzüberschreitungen konfrontiert waren. Viele wissen nicht, wie sie sich auf intime Szenen vorbereiten sollen oder zu was sie ihre Zustimmung geben müssen. Als Schauspieler:in wird man oft darauf trainiert „Ja“ zu sagen – selbst wenn man sich unwohl fühlt. Besonders für junge Darsteller:innen ist es häufig schwierig, Grenzen zu setzen, vor allem wenn erfahrene Schauspieler:innen die Führung in solchen Szenen übernehmen. Das kann dazu führen, dass man sich als junge:r Schauspieler:in in eine unterlegene Position gedrängt fühlt. Diese Problematik hat mich motiviert, als Intimitätskoordinatorin tätig zu werden, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten in intimen Szenen geschützt sind und ihre Grenzen respektiert werden.“

 

Welche Maßnahmen ergreifst du, um sicherzustellen, dass alle Beteiligten während der Zusammenarbeit stets ein Gefühl von Sicherheit und Respekt erleben?

  1. Frühzeitige Kommunikation: Vor dem Dreh bespreche ich mit allen Beteiligten – sowohl mit den Schauspieler:innen als auch mit der Regie und dem Produktionsteam – genau, welche Szenen anstehen und welche Grenzen es zu wahren gilt. Dabei ist es mir wichtig, einen Raum zu schaffen, in dem alle ihre Vorstellungen und Bedenken äußern können. Die Kommunikation mit den Schauspieler:innen findet immer im Einzelgespräch statt.
  2. Zustimmung und Dokumentation: Ich dokumentiere alle Grenzen und Zustimmungen der Beteiligten, um sicherzustellen, dass jede und jeder genau weiß, auf was er oder sie sich einlässt. Diese Dokumentation dient als klare und verbindliche Grundlage, damit alle Beteiligten – von den Schauspieler:innen bis hin zum Produktionsteam – jederzeit nachvollziehen können, welche Handlungen oder Szenen im Rahmen der Zustimmung vereinbart wurden. Durch diese klare Dokumentation schaffen wir eine Atmosphäre der Transparenz und des Vertrauens. Gleichzeitig ermöglicht sie es, dass alle Beteiligten jederzeit ihre Zustimmung anpassen oder zurückziehen können, falls sich im Verlauf der Arbeit etwas ändert.“
  3. Choreographie: Ich stelle sicher, dass intime Szenen  choreographiert und klar definiert sind, damit alle wissen, welche Bewegungen und Handlungen erwartet werden. Dabei achte ich darauf, dass der physischen Distanz und den persönlichen Grenzen eingehalten werden. Intimitätskoordination bedeutet aber nicht, den künstlerischen Ausdruck einzuschränken – im Gegenteil: Sie schafft einen klaren, sicheren Rahmen, innerhalb dessen sich Kreativität entfalten kann. Ähnlich wie bei einem Musikstück, das zunächst technisch geübt werden muss, bevor es frei und emotional gespielt werden kann, gilt auch hier: Je vertrauter man mit den vereinbarten Abläufen ist, desto mehr Freiheit entsteht im Spiel.
  4. Verfügbarkeit während des Drehs: Ich bin während der gesamten Dreharbeiten als Ansprechpartnerin für die Schauspieler:innen da, um etwaige Unsicherheiten sofort anzusprechen und zu klären. Auch nach Drehtagen bin ich erreichbar, falls es Nachfragen oder Anliegen gibt.

Mein Ziel ist es, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, in der alle Beteiligten mit Vertrauen und Sicherheit an ihre Arbeit herangehen können.“

 

Wie gehst du mit schwierigen Situationen um, in denen unterschiedliche Perspektiven aufeinandertreffen?

Ich hatte noch keine Situationen mit gravierend unterschiedlichen Perspektiven, höchstens Schauspieler:innen die anfangs eine falsche Vorstellung von der Aufgabe einer Intimitätskoordinatorin hatten und dadurch erstmal skeptisch waren. Aber alle Bedenken haben sich letztendlich in Wohlgefallen aufgelöst.

 

Wie hat die Einführung von Intimitätskoordination deiner Meinung nach die Branche verändert, und was erhoffst du dir für die Zukunft?

Die Einführung von Intimitätskoordinator:innen zeigt, dass mehr Wert auf die Professionalisierung von intimen Szenen gelegt wird

Früher wurde oft improvisiert, was zwar im ersten Moment mehr Flexibilität bot, aber auch Unsicherheiten und Missverständnisse und sexuelle Übergriffe mit sich bringen konnte. Heute sorgt die Einführung von Intimitätskoordinatorinnen und -koordinatoren dafür, dass Abläufe geplant und Grenzen respektiert werden. Ähnlich wie bei einer Kampfchoreographie, bei der alles im Vorfeld geklärt wird, um psychischen physischen Verletzungen vorzubeugen. Es wäre undenkbar die Schauspieler:innen einfach aufeinander los zu lassen mit den Worten „Macht´s mal!“

Was aber nicht bedeutet, dass erfahrene Schauspieler:innen gezwungen werden mit einer Intimitätskoordinatorin zusammen zu arbeiten.

Ich erhoffe mir für die Zukunft, dass die Arbeit einer Intimitätskoordination selbstverständlich wird und wir keine Aufklärungsarbeit mehr leisten müssen.

 

 

Kontakt:

Carmen Sanders-Gratl

Zimmeterweg 17

6020 Innsbruck

Mobil: +436766098377
Mail: carmengratl@sanders.at

www.carmengratl.at